Die Rennerbaude auf dem Ziegenrücken im Riesengebirge

13.05.2024

Ein Beitrag zu ihrer Geschichte 

Im Gegensatz zur Wiesenbaude ist die Geschichte der Rennerbaude auf dem Ziegenrücken [1] aus meiner Sicht bisher zu wenig beachtet und ein eher "ungeliebtes" Kind der bisherigen Baudenforschung.

So konnte ich in der gedruckten oder im Internet veröffentlichten Literatur bis zum Beginn des Jahres 2024 beispielsweise nur ungefähre, unvollständige Angaben finden über jene Männer und Frauen, die die Rennerbaude im Lauf ihres Bestehens in Besitz hatten oder bewirtschaftet haben.

Richter u.a.: Die alte Heimat Spindelmühle beispielsweise führen nur folgende Personen an: August und Ignaz Renner (1797), Vinzenz Buchberger (1890), Vinzenz Buchberger junior (1894), dessen Witwe Anna Buchberger (1910) und schließlich die Brüder Bönsch (1936). [2] 

Durch meine Recherche in historischen Originalquellen [3] hoffe ich nun, nachzuweisen, wie es denn eigentlich gewesen ist mit den wechselnden Eigentumsverhältnissen:

Die Rennerbaude umkreisen auch einige Mythen, die der Aufklärung bedürfen:

1.  Zur Entstehung der Rennerbaude wird fast immer angegeben, dass im Jahr 1795 (andere Quellen nennen 1797 oder beide Jahre) ein Brüderpaar namens "Ignaz und Augustin" die Rennerbaude errichtet habe. [4]

Gegen diesen Mythos spricht, dass in den historischen Quellen kein Beleg für ein solches Erbauer-Brüderpaar zu finden ist. Zudem ist als früheste Bezeichnung der Rennerbaude auf dem Ziegenrücken der Name "Sommerbaude Ignaz Renner Baude" [5] nachweisbar. Diese alte Bezeichnung spricht aus meiner Sicht dagegen, dass neben Ignaz Renner auch ein Augustin Renner Bauherr oder Eigentümer gewesen ist.

2. In Die Riesengebirgsgemeinde Pommerndorf bringen Erben u.a. die Errichtung der Rennerbaude mit einem Grundstück in Verbindung, das Ignaz Renner von "der Herrschaft" geschenkt bekommen haben soll, "weil seine heilkundige Frau Johanna der Gräfin ein sehr schlimmes Bein geheilt hatte". [6]

Gegen diesen Mythos spricht, dass eine solche Grundstücksschenkung in keiner der historischen Quellen zur Rennerbaude genannt wird.

3. Die Rennerbaude wird nicht selten als jener Ort behauptet, den Karl von Holtei als Librettist zum Schauplatz der Oper "Des Adlers Horst" auserkoren haben soll. [7]

Gegen diesen Mythos spricht, dass Karl von Holtei sich in seinen Schriften stets auf die Wiesenbaude als Inspirationsquelle [8] für den Schauplatz der Oper bezieht. Letztlich muss die "Opern-Baude" mit einem Wirt namens Renner aber als eine fiktive Baude begriffen werden.

Mythen sind in der Regel – oft wider besseren Wissens – recht zählebig. Haben sie sich erst einmal verbreitet und im Bewußtsein festgesetzt, sind sie schwer wieder los zu werden.

Dennoch hoffe ich, dass sich meine Recherchen über den tatsächlichen Erbauer der Rennerbaude und über ihre späteren, tatsächlichen Eigentumsverhältnisse nach und nach durchsetzen werden.

Im Zuge des Einmarsches der deutschen Wehrmacht in das Riesengebirge wurde die Rennerbaude am 2.10.1938 – ebenso wie die Wiesen- und die Richterbaude – von tschechischen Soldaten in Brand gesteckt und dadurch bis auf ihre Grundmauern vernichtet.

Noch während des 2. Weltkrieges hat Gustav Bönsch (Sohn des Vinzenz Bönsch (junior)) federführend mit dem Wiederaufbau der Rennerbaude begonnen. Zu diesem Zweck hatte der Architekt Karl Albert (Architektenbüro Gebrüder Albert, Hirschberg) im Lauf des Jahres 1939 verschiedene Pläne vorgelegt, die in nichts mehr an die charakteristische und unverwechselbare Gestalt der ehemaligen Rennerbaude erinnerten. [9]

Bis zum Ende des Krieges konnte jedoch nur ein Rohbau des geplanten, kleinen Anbaus fertiggestellt werden. Die tschechoslowakische Militärverwaltung ließ diesen Torso 1950 abreißen; das Grundstück wurde eingeebnet. 1953 ging es in das Eigentum des Staatskomitees für Leibeserziehung und Sport der tschechoslowakischen Republik über. Seit 1963 ist es Teil des Nationalparks Riesengebirge und nunmehr ein Rastplatz von Menschen, die im Riesengebirge wandern. 

Es wird erzählt, dass das Wasserrohr, aus dem "Renner's Brunnen" gespeist wird, ein Rest jener Wasserleitung sei, die früher in die Rennerbaude geführt hat. Das kühle Naß hat nicht nur den (Trink-)Wasserbedarf der Bewohner, Gäste und Tiere der Rennerbaude gedeckt, sondern hat im Keller auch zur Kühlung von Vorräten gedient (Butter, Käse, usw.).

Meine Ergebnisse – nicht nur zu den Eigentumsverhältnissen, sondern auch zu den verschiedenen Um- und Ausbaustufen der Rennerbaude – habe ich im Detail in einem PDF-Dokument beschrieben, das hier zum Download bereitsteht.

Was aus meiner Sicht noch fehlt:

Bisher ist es mir leider nicht gelungen, Abbildungen von Innenräumen der ehemaligen Rennerbaude zu finden – sei es als Zeichnungen oder Gemälde, sei es als Fotos. Nur in dem ein oder anderen Reiseführer aus dem 19. / frühen 20. Jahrhundert konnte ich lesen, dass die Innenausstattung einfach, zugleich aber gemütlich (gewesen) sei. Falls in einem Familienalbum Fotos von der Innenausstattung auftauchen sollten, wäre ich dankbar, wenn sie mir zur weiteren Verwendung zur Verfügung gestellt werden könnten.

Autor: Jürgen Stapf

Literatur und Bemerkungen:

[1] Gelegen auf dem späteren Gemeindegebiet von Spindlermühle. Zunächst geführt als Gebirgsbaude Nr. 237, später mit der Hausnummer 82.

[2] Josef Richter / Roland Fischer / Paul Hollmann: Die alte Heimat Spindelmühle, St. Peter – Friedrichsthal im Riesengebirge, 3. Band der Ortsbuch-Reihe des Heimatkreises Hohenelbe / Riesengebirge e.V., Marktoberdorf 1994, Seite 627 unter Haus Nr-82.

[3] Kirchenbücher sowie Grund-, Schöppen-, Ehecontract-, Verlassenschafts- beziehungsweise Testamentsbücher

[4] Beispielsweise: Josef Richter / Roland Fischer / Paul Hollmann: Die alte Heimat Spindelmühle, St. Peter – Friedrichsthal im Riesengebirge, 3. Band der Ortsbuch-Reihe des Heimatkreises Hohenelbe / Riesengebirge e.V., Marktoberdorf 1994, Seite 138

[5] Taufeintrag Wenzel Renner (*2.7.1819) im Taufbuch der röm.-kath. Pfarrei Spindlermühle, 160-2, Scan 10 (matrika N, index N, 12.1817-4.1844, Sbírka matrik Východočeského kraje, Státní oblastní archiv v Hradci Králové)

[6] Pepi Erben / Hans Adolf: Die Riesengebirgsgemeinde Pommerndorf mit ihren Ortsteilen. 5. Band der Ortsbuch-Reihe des Heimatkreises Hohenelbe / Riesengebirge e.V., Marktoberdorf 2000, Seite 61

[7] beispielsweise in: Mario Morgner / Jens Baumann: Kulturregion Riesengebirge – Die Wiesenbaude, Reichenbach 2013, Seite 185

[8] Als ausschlaggebendes Ereignis erwähnt Karl von Holtei seine Wanderung, die er mit einigen Gefährten im Sommer 1818 im Riesengebirge unternommen hat. Die Erlebnisse dieser Wanderung sind nachlesbar in: Karl von Holtei: Bergreise [Reisetagebuch 1818. Widmung: Zueignung an meinen Freund, den Doktor]. – Posthum veröffentlicht von Heinrich Nentwig (Hg.): Carl von Holtei's Reise in das Riesengebirge. (1818.). Zu seinem hundertsten Geburtstage, 24. Januar 1898, aus einer Handschrift der Reichsgräflich Schaffgotsch'schen Bibliothek zu Warmbrunn, Warmbrunn 1898

[9] Die Architektenpläne lagern im Staatsarchiv Breslau, Zweigstelle Hirschberg, und sind zum größten Teil in mein PDF-Dokument eingearbeitet und kommentiert.